Hohe valgisierende tibiale Umstellungsosteotomie (HTO)
Bei einer Verschiebung der Beinachse nach innen (Valgusstellung) oder außen (Varusstellung) – umgangssprachlich werden diese Fehlstellungen auch X-Beine oder O-Beine genannt – kommt es zu einer Fehlbelastung des Kniegelenks und damit zu Schmerzen für die Betroffenen. Degenerative Knorpelschädigungen können die Folge sein, häufig entwickelt sich auch eine arthrotische Deformierung des Gelenks. Bei der Umstellungsosteotomie korrigiert der Chirurg die verschobene Beinachse, sodass die einseitige Belastung des Gelenks beseitigt und Folgeerkrankungen wie Arthrose verzögert oder verhindert werden können. „Tibial“ heißt die Umstellungsoperation, da sie an der Tibia (Schienbein) ansetzt.
Wie verläuft der Eingriff?
Der Patient wird direkt am Tag seines Klinikeintritts operiert. Als Anästhesie kommen Voll- oder Teilnarkose oder auch eine Regionalanästhesie zum Einsatz. Die Operation selbst dauert ca. 60 Minuten. Dabei gelangt der Operateur zunächst über einen Hautschnitt bis zum Knochen. An der zuvor festgelegten Stelle des Knochens erfolgt ein Sägeschnitt, danach wird die Korrektur des Knochens durch Aufspreizen, Zuklappen oder Rotation eingestellt und festgehalten. Zumeist wird eine winkelstabile Platte verwendet, um die neue knöcherne Stellung zu fixieren. Während der gesamten Operation werden Röntgenbilder begleitend angefertigt, um eine optimale Kontrolle zu gewährleisten.
Bei der Osteotomie selbst entscheidet der Operateur, welche Art von Knochenschnitt notwendig ist, um das gewünschte Korrekturergebnis zu erzielen. Man unterscheidet zwischen dem aufklappenden oder aufbiegenden Knochenschnitt („open-wedge“) oder dem zuklappenden, keil-resezierenden Knochenschnitt („closing-wedge“). Die aufklappende Osteotomie wird dabei zumeist auf der Innenseite des Knies durchgeführt, die dann mit einem winkelstabilen Plattenfixateur oder alternativ mit Schauben und Nägeln gesichert wird. Die schließende Osteotomie kann alternativ auf der Außenseite des Knies durchgeführt werden.
Eine detaillierte Operationsbeschreibung finden Sie hier: link.springer.com/article/10.1007/s00142-012-0697-9
Nach der Operation
Der stationäre Aufenthalt im Krankenhaus ist für ein bis drei Tage erforderlich. Da Nachblutungen möglich sind, erhält der Patient während dieser Zeit eine Saugdrainage zum Abfluss des Blutes. Dann erfolgt direkt eine frühe funktionelle Mobilisation unter physiotherapeutischer Anleitung. Dabei wird das operierte Bein zunächst sechs Wochen lang mit nur 15 kg teilbelastet. Der Patient nutzt dabei Unterarmgehstöcke. Die volle Streckung und Beugung des Beins sind bereits erlaubt. Um die Knochenheilung zu kontrollieren, werden regelmäßige Röntgenaufnahmen empfohlen. Nach ca. acht Wochen ist die volle Belastung des Gelenks erlaubt – vorausgesetzt der Knochen ist geheilt.
Typische Risiken und deren Häufigkeit
Wie jede Operation beinhaltet auch die Umstellungsosteotomie bestimmte Risiken für den Patienten:
• Unerwünschte Blutungen, die bis zur Notwendigkeit einer Transfusion reichen können
• Die Fixation im Knochen kann instabil sein, sodass zusätzliche Platten und Schrauben oder eine Erweiterung des Zugangs zum Knochen nötig werden
• Knocheninfektion aufgrund von Fremdmaterial am Knochen
• Verzögerte und nicht vollständige Ausheilung der Osteotomie, sodass eine erneute Operation notwendig wird
Liegen nach einer Umstellungsosteotomie Risikofaktoren für eine Nicht-Heilung des Knochens vor (sogenannte Pseudoarthrose), sollte der Osteotomiespalt mit autologem Knochen gefüllt werden. Nach aktueller Studienlage scheint das Alter des Patienten keinen Einfluss auf das klinische Ergebnis der Operation zu haben.
Generelle Prognose nach der Operation
Die generelle Prognose nach valgisierender HTO kann als sehr gut bezeichnet werden und die Langzeitüberlebensraten sind überzeugend:
• Die 10-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen von 45 und 97,6 Prozent
• Die 15-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 39 bis 56 Prozent
Für aktive Patienten ist die gelenkerhaltende Achskorrektur die optimale Operation, damit das Gelenk nicht durch ein Kunstgelenk ersetz werden muss.
Wie gelingt die Rückkehr in den Alltag, das Berufsleben und den Sport?
Wie schnell der Patient wieder in den Arbeitsalltag zurückkehren kann, hängt stark vom Grad der körperlichen Belastung der jeweiligen Arbeit ab. Als Leitlinie kann dienen:
• Schreibtischarbeiten sind meist nach sechs bis acht Wochen wieder möglich
• Körperlich anstrengende Tätigkeiten sind meist erst nach drei Monaten möglich
• Sport ist nach einer valgisierenden HTO wieder möglich
• Nach durchschnittlich 36 Monaten üben mehr als 90 Prozent der Patienten regelmäßig sportliche Betätigungen aus, dies ohne eine Reduktion der Häufigkeit oder Dauer
Literaturhinweise
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