Refixation / Rekonstruktion des Innenbands

Das Innenband (MCL) ist die am häufigsten verletzte Bandstruktur des Kniegelenks. Verletzungen entstehen typischerweise beim Sport (Fußball, Skifahren, Eishockey) und betreffen vor allem junge Patienten. Sie treten in der Regel isoliert auf, also ohne Verletzung anderer Strukturen. Sie können aber auch mit Rissen des vorderen Kreuzbands oder des Innenmeniskus einhergehen. 


Zerrungen und leichte Verletzungen (Grad I und II) können in der Regel konservativ mit einer Schiene behandelt werden und bedürfen keiner Operation. Hochgradige mediale Instabilitäten oder Kombinationsverletzungen sollten operativ behandelt werden. Zur Verfügung stehen die Refixation der gerissenenen Bandanteile oder, bei chronischer Instabilität, die Rekonstruktion des Innenbands mittels körpereigener Sehne.  
 

 

Wie verläuft der Eingriff?

Eine operative Stabilisierung des Innenbands wird als offene Operation durchgeführt und dauert circa 45-60 Minuten. Die Operationszeit kann je nach Begleitverletzungen auch länger sein. Eine Innenbandstabilisierung wird normalerweise stationär durchgeführt und bedarf eines zwei- bis dreitägigen stationären Aufenthalts. 

Der Eingriff findet in Regionalanästhesie oder in Vollnarkose statt. Zunächst erfolgt das sterile Abwaschen und Abdecken des verletzen Beins. Zumeist wird eine Gelenkspiegelung (Arthroskopie) vorgeschaltet, um zusätzliche Begleitverletzungen im Gelenk (Kreuzband, Meniskus, Knorpel) zu erkennen und ggf. zu therapieren. Die Stabilisierung des Innenbands erfolgt über einen circa 8-10 cm langen Hautschnitt (in Abhängigkeit des Verletzungsausmaßes) auf der Innenseite des Kniegelenks. Folgende Schritte sind notwendig: 

Refixation: 
•    Identifikation der verletzten Bandanteile und des Ansatzpunktes
•    Bohren am Ansatzpunkt und Einbringen eines Fadenankers
•    Anschlingen des Innenbands mit reißfesten Fäden
•    Refixation des gerissenen Bands mittels Fadenanker und Fäden
•    Verschließen der Faszienschicht und der Haut
•    Steriler Wundverband

Eine detaillierte Beschreibung der OP-Technik finden Sie hier

Rekonstruktion mit körpereigener Sehne: 
•    Entnahme der körpereigenen Sehne (Semitendinosus, Gracilis) vom Knie des gesunden Beins
•    Identifikation der verletzten Bandanteile und des Ansatzpunktes
•    Bohren am femoralen und tibialen Ansatzpunkt 
•    Aufspannen des Sehnentransplantats als Ersatz für die insuffizienten Innenbandanteile in gewünschter Technik (Lind-Technik, LaPrade Technik)
•    Fixation des Transplantats mit Interferenzschrauben, Fadenanker oder kleinen Flippbuttons
•    Verschließen der Faszienschicht und der Haut
•    Steriler Wundverband

Eine detaillierte Beschreibung der OP-Technik finden Sie hier

In der Regel wird der Eingriff mit anderen Kniescheiben-stabilisierenden Eingriffen wie der MPFL-Rekonstruktion kombiniert.

Nach der Operation

Die operative Refixation oder Rekonstruktion des Innenbands muss sehr restriktiv nachbehandelt werden, um das operative Ergebnis bis zur Einheilung zu schützen. In den ersten Tag nach der Operation wird das Kniegelenk gekühlt und hochgelagert, um eine Weichteilschwellung zu verhindern. In den ersten sechs Wochen nach der Operation werden eine Teilbelastung mit 20 kg an Unterarmgehstützen und eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin empfohlen. Zudem sollte eine 4-Punkt-Hartrahmenorthese für bis zu drei Monate nach der Operation getragen werden.

Die Bewegung des Kniegelenks wird stufenweise freigegeben: 

  • 1.-2. Woche: Flexion (Beugung) / Extension (Streckung) 60°/20°/0°
  • 3.-4. Woche: Flexion/Extension 90°/10°/0°
  • 5.-6. Woche: Flexion/Extension 90°/0°/0°

Nach sechs Wochen kann das Knie voll gestreckt und bis 90° gebeugt werden kann. Ab der siebten Woche ist die volle Beweglichkeit des Knies freigegeben. Um die volle Funktion des Kniegelenks wiederzuerlangen, ist eine begleitende Physiotherapie ab der ersten Woche nach der Operation dringend empfohlen. Je nach Klinik kann es zu kleinen Abweichungen dieses Nachbehandlungsschemas kommen.

Typische Risiken und deren Häufigkeit

Die Therapie des Innenbands ist in der Regel eine sichere und komplikationsarme Operation. Allgemeine Risiken sind Wundinfektion, tiefe Beinvenenthrombose sowie Nachblutung und Schmerzen. Aufgrund des Zugangsweges kann es in seltenen Fällen zu Verletzungen des oberflächlichen Hautnervs (N. saphenus) mit Taubheitsgefühl am medialen Unterschenkel kommen. Bei inkorrekt platzierten Bohrkanälen und falscher Sehnenspannung ist eine Bewegungseinschränkung/Blockade oder eine Instabilität des Kniegelenks möglich. Auch bei guter operativer Versorgung kann eine milde Instabilität verbleiben, die der Patient jedoch nicht bemerkt.

Generelle Prognose nach der Operation

Generell ist die Prognose nach operativer Stabilisierung des Innenbands sehr gut. Die Instabilität des Kniegelenks kann dadurch gut therapiert werden. Kurzfristig muss sich der Patient auf eine vorsichtige und restriktive Nachbehandlung einstellen, um eine sichere Einheilung zu gewährleisten und den langfristigen Erfolg sicherzustellen. 

Wie gelingt die Rückkehr in den Alltag, das Berufsleben und den Sport?


Wie rasch eine Rückkehr in den Arbeitsalltag oder in den Sport gelingt, hängt vom Anspruch, dem Grad der Belastung und der präoperativen Leistungsfähigkeit ab. Als grober Leitfaden gilt: 

•    Schreibtischarbeiten können nach drei bis vier Wochen aufgenommen werden
•    Körperlich anstrengende Tätigkeiten sind meist erst nach drei Monaten möglich
•    Sportliche Betätigung kann nach drei Monaten wieder begonnen werden (zum Beispiel Radfahren, Joggen)
•    Spiel- und Ballsport sind auch in Abhängigkeit von Begleitverletzungen erst nach etwa fünf bis sechs Monaten möglich (bei VKB Verletzungen nach neun bis zwölf Monaten)

Literaturhinweise

Anatomie: 

Warren LF, Marshall JL (1979) The supporting structures and layers on the medial side of the knee: an anatomical analysis. J Bone Joint Surg Am 61:56-62

Athwal KK, Willinger L, Shinohara S, Ball S, Williams A et al. (2020) The bone attachments of the medial collateral and posterior oblique ligaments are defined anatomically and radiographically. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 28:3709 - 3719.

Biomechanik: 

Ball S, Stephen JM, El-Daou H, Williams A, Amis AA (2020) The medial ligaments and the ACL restrain anteromedial laxity of the knee. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 28:3700 – 3708

Willinger L, Shinohara S, Athwal KK, Ball S, Williams A, et al. (2020) Length-change patterns of the medial collateral ligament and posterior oblique ligament in relation to their function and surgery. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 28:3720 - 3732

Wierer G, Milinkovic D, Robinson JR, Raschke MJ, Weiler A, et al. (2021) The superficial medial collateral ligament is the major restraint to anteromedial instability of the knee. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 29(2):405-416.

Kittl C, Robinson J, Raschke MJ, Olbrich A, Frank A et al. (2021) Medial collateral ligament reconstruction graft isometry is effected by femoral position more than tibial position. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 10.1007/s00167-020-06420-8.

OP-Techniken:

Lind M, Jakobsen BW, Lund B, Hansen MS, Abdallah O, Christiansen SE (2009). Anatomical reconstruction of the medial collateral ligament and posteromedial corner of the knee in patients with chronic medial collateral ligament instability. Am J Sports Med. 37(6):1116-1122.

Laprade RF, Wijdicks CA (2012). Surgical technique: development of an anatomic medial knee reconstruction. Clin Orthop Relat Res. 470(3):806-814.

Übersichtsarbeiten: 

Lutz, P.M., Mehl, J., Achtnich, A. et al. Periphere Instabilitäten bei Läsionen des vorderen Kreuzbandes: Strategie bei chronischer medialer Instabilität. Knie J. 2, 168–177 (2020). 

Miyamoto RG, Bosco JA, Sherman OH. Treatment of medial collateral ligament injuries. J Am Acad Orthop Surg. 2009 Mar;17(3):152-61. 

Wijdicks CA, Griffith CJ, Johansen S, Engebretsen L, LaPrade RF (2010). Injuries to the medial collateral ligament and associated medial structures of the knee. J Bone Joint Surg Am. 92(5):1266-1280.